Die National 2 ist die vierthöchste Liga in Frankreich. Seit dieser Saison umfasst sie 48 Mannschaften und wird in drei Gruppen (A, B und C) ausgespielt. Das deutsche Pendant dazu ist die Regionalliga. Soweit es meine Recherchen ergeben haben, erfolgt die Einteilung in der National 2 jedoch rein geografisch und nicht wie in Deutschland nach Verbänden. Frankreich ist flächenmäßig deutlich größer als Deutschland, und durch die geringere Anzahl an Staffeln sind die Reisewege in der National 2 entsprechend länger. Der ASC Biesheim spielt in der Gruppe C und diese erstreckt sich von der deutschen Grenze bis nach Le Havre. Das sind mal locker 750 km Oneway und siebeneinhalb Stunden Anfahrt für die weiteste Auswärtsfahrt. Die Mehrheit der Vereine kommt aus dem Großraum Paris. Und auch das heißt für Biesheim jedes Mal 550 km eine Strecke. Lokale Konkurrenten, also mit überschaubarer Entfernung, gibt es nur FCSR Haguenau und SAS Épinal. Das Derby gegen den unmittelbaren Nachbarn vom
SR Colmar entfällt diese Saison leider. Colmar ist vergangene Saison abgestiegen und spielt jetzt in der National 3. Besonderes Leckerbissen dieser Gruppe C sind noch die beiden Vereine aus Korsika. Das Auswärtspensum, was Biesheim hier als Viertligist abreißt, finde ich schon enorm. Die beiden korsischen Vereine in die Nordgruppe zu legen macht auf den ersten Blick erstmal begrenzt Sinn. Erklären kann ich es mir nur dadurch, dass die Fluganbindung nach Paris deutlich besser ist, als zum Rest des Landes und so die Zuordnung zur “Paris”-Gruppe erfolgte.
Heute stand in Biesheim ein Nachholspiel vom 11. Spieltag an. Die ersten Januarwochenenden sind in Deutschland gewöhnlich dünn in Bezug auf Fußball. In Frankreich ist man da nicht so wetterfühlig. Vor zwei Tagen hatte es kräftig geregnet und vergangene Nacht zeigte das Thermometer bis -6°C. Ich hatte somit zu 99% mit einer Absage gerechnet. Doch morgens postete der Verein dann nochmal eine Spielankündigung auf Facebook. Und da stand nur was von Vorfreude und nix von Absage. Top.
Biesheim ist eine Gemeinde mit gerade einmal 2500 Einwohnern. Sehr spannend, dass sie zu den Top 100 Vereinen im großen Frankreich zählen. Eigentlich kann es hier ja nur einen Mäzen geben, der das Projekt am Laufen hält. Aber das ist nur eine Vermutung - nicht, dass ich hier Gerüchte in die Welt setze. Aktuell steht der ASC Biesheim im oberen Drittel der Tabelle. Mit dem FC Bobigny-Bagnolet-Gagny und dem FC Fleury 91 sind zwei Mannschaften den anderen etwas enteilt und werden vermutlich den Aufstieg unter sich ausmachen. Dahinter folgt dann eine Gruppe von Mannschaften, zu denen auch der ASC Biesheim zählt, die schon gut Abstand zu den drei Abstiegsrängen haben. Der heutige Gegner AS Beauvais Oise muss hingegen eher nach unten schauen. Sie haben drei Punkte mehr als die Mannschaften auf den Abstiegsplätzen. Den einen oder anderen Sieg müssen sie somit noch einfahren. Beauvais ist eine Stadt mit 57.000 Einwohnern, 80 km nördlich von Paris. Und damit auch eine der vielen Teams mit einem langen Anfahrtsweg nach Biesheim.
Die erste Halbzeit war für neutrale Zuschauer enttäuschend – keine Torchancen, nur ein halber Schuss aufs Tor. Mit 0:0 ging es in die Pause. In der 54. Minute gab es dann aber einen Elfmeter für Biesheim, der zum Glück verwandelt wurde. Zehn Minuten später legte das Heimteam nach und sicherte sich den 2:0-Arbeitssieg. Ein Ergebnis, das zur Tabellensituation passt. Biesheim springt damit auf Platz 3, sieben Punkte hinter dem Tabellenführer, der zudem ein Spiel weniger absolviert hat. Beauvais hingegen bleibt im unteren Drittel und muss weiter um den Klassenerhalt kämpfen.
Dass Anfang Januar in Deutschland fußballerische Saure-Gurken-Zeit ist, habe ich ja schon erwähnt. Auch sonst war in der Umgebung nicht viel los und so war der Hopperauflauf heute vorprogrammiert. 29 Check-ins in futbology. Ich glaube drei Leute mit Hauptverein Racing Strasbourg, der Rest war aus Deutschland. Und dazu kommt noch die Dunkelziffer derer, die die Futbology-App nicht nutzt. Einige Groundhopper enttarnen sich direkt durch das Zücken der Kamera, nachdem sie das Stadion betreten haben. Und ein paar habe ich von anderen Sportplätzen wiedererkannt. Vier von ihnen standen direkt vor mir an der Kasse. Nach den obligatorischen Fotos kam der Spruch “Ich hab jetzt erstmal Dorscht” und dann standen sie das komplette Spiel am Stehtisch der Getränkebude. Biesheim hat heute sicherlich ein paar Hopper-Euros mehr eingenommen als sonst. Und Grüße an Fabian und seine Frau. Wir hatte uns das erste Mal in
Wurmberg-Neubärental getroffen und heute auch die zweite Halbzeit wieder nett geschnackt.
Und jetzt noch zum Stade Municipal de Biesheim. Es ist ein ganz spannender Ground. Wenn man reinkommt, steht dort direkt das Funktionsgebäude in typisch französischer Kastenform. Also keine Ahnung, ob das wirklich typisch französisch ist, aber ich hab das hier schon öfter gesehen. Eigentlich hässlich, aber durch die großen Lettern “A.S.C. Biesheim” weiß man gleich mal wo man ist. Auf der einen Hintertorseite sind die umgebenden Mauersegmente von innen kunstvoll bemalt (oder besprüht). Es stand auch auf jedem Kunstwerk etwas Text, aber ich muss leider zugeben, ich habe es nicht gelesen und weiß daher nicht, welches Motto hinter den Bildern steht. Die mittelgroße Tribüne bietet gute Sicht und ein Gefühl von Sicherheit (oder Beklemmung). Wie in Frankreich üblich ist die Haupttribüne mit rustikalen Metallzäunen vom Spielfeld abgegrenzt. Ich vermute, dass das eine Verbandsvorgabe ist. Und so ist auch die Tribüne hier mit robusten, drei Meter hohen Ungeheuern umzogen. Das wirkt schon martialisch. Zumal in der Liga, die weder Gästefans noch einen organisierten Heimsupport hat. Irritierend, aber spannend.
