Hätte mir vor zwei Wochen jemand gesagt, dass ich bald im Hoffenheimer Gästeblock stehe und aktiver Teil einer Choreo bin, hätte ich aufgrund dieser abstrusen Vorstellung mit vollster Überzeugung gesagt: “Niemals!”. Ich finde das Konstrukt Hoffenheim kacke und langweilig in einem. Warum sollte ich mich in der Nähe ihres Fanblocks aufhalten? Und plötzlich war ich mittendrin statt nur dabei. Wie konnte das passieren?
Wenn mich zum Geburtstag jemand fragt, was ich mir wünsche, fällt mir nie was ein. Es gibt nichts Materielles, was ich in meinem Leben vermisse. Das Einzige, was ich gerne mehr hätte, ist Zeit für mein Sport-Hobby. So schenkt mir mittlerweile meine Familie genau das, nämlich Tickets für gemeinsame Sportevents. Wir waren dieses Wochenende in Solingen. Da hat mein Sohn geschaut, was es in der Umgebung gibt und ist auf den Saisonauftakt in Leverkusen gestoßen. Tickets für den Bayer Heimbereich oder die normalen Tribünen zu bekommen, ist in Leverkusen mittlerweile unmöglich. Viele Plätze gehen an Dauerkartenbesitzer, die Restlichen können nur von Mitgliedern erworben werden. Und so hat er schmerzbefreit im Gästeblock zugegriffen.
Mein erster und letzter Besuch in der BayArena liegt 23 Jahre zurück: 2002,
Champions League gegen Maccabi Haifa. Damals hatte das Stadion noch ein Fassungsvermögen von 22.500 Zuschauern. 2008 wurde die Kapazität auf 30.000 Zuschauer erweitert. Auf europlan und futbology zählt mein Besuch heute zwar als Re-Visit, aber ich finde es schon cool, das Stadion in neuer Größe zu sehen.
Mir gefällt der Ground. Die Dachkonstruktion ist von außen recht markant und macht was her. Und von innen wirkt es, vermutlich durch das durchsichtige Dach, recht offen. Ich mag das viel lieber, als diese geschlossenen Dosen wie in Gelsenkirchen und Paderborn.
Als wir den Gästeblock betraten, wurden wir von den Ultras direkt eingewiesen, wo wir stehen bzw. nicht stehen sollen. Sie haben die unteren Reihen freigehalten, vermutlich um später bei der Choreo ein kompakteres Bild zu erzeugen. Trotz der Verknappung war noch genug Platz, um ohne Gedränge und mit guter Sicht stehen zu können. Vor Spielbeginn haben alle blaue und weiße Winkelemente in die Hand bekommen, die dann rechtzeitig zum Einlauf der Mannschaften gewedelt wurden. Ich habe allerdings kein Bild im Internet gefunden, wie es denn so in Gänze gewirkt hat.
Rechts von uns standen zwei Hoffenheim-Fans mittleren Alters. Nach gewisser Zeit sagte sie zu ihm: „Das sind Touristen neben uns.“. Und meinte damit uns. Gut erkannt.
Der Aderlass von Leverkusen vor dieser Saison war groß. Mit dem Meisterteam von 2023/24 hat das nur noch wenig zu tun. Und so gibt es für mich große Fragezeichen, wie diese Saison laufen wird. Auch bei Hoffenheim kann ich nicht einschätzen, wo sie stehen. Die vergangene Saison war mau, und groß verstärkt haben sie sich nicht. Für das heutige Spiel habe ich jedenfalls erwartet, dass Leverkusen gewinnen wird. Das war eine klare Fehleinschätzung. Zwar ging Bayer nach sechs Minuten in Führung, aber Hoffenheim war das bessere Team. Der Ausgleich nach 25 Minuten war verdient und auch der Führungstreffer. Bayer hat so uninspiriert gespielt. Immer wieder das gleiche Muster. Sie haben im Spielaufbau irgendwann den Ball auf den Flügel gelegt, Hoffenheim hat gut verschoben und Bayer kam nicht durch. Da hat ein Florian Wirtz gefehlt, der solche Situationen auch mal 1:1 auflösen kann. Als sie es dann einmal schnell gespielt haben, konnten sie die Hoffenheimer Defensive direkt aushebeln. Aber zwei gute Aktionen im Spiel reichen halt nicht.
Ich bin jetzt kein Leverkusen-Fan, aber ich war schon klar für Bayer. Schade, dass sie so eine Grütze gespielt haben.
Fazit: War spannend, mal auf der anderen Seite der Macht zu stehen. Und die BayArena ist absolut sehenswert.