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Westfalenstadion
81.300 Zuschauer (davon 8.000 Gästefans) (ausverkauft)

Fußball, 1. Bundesliga (2016/17), 19. Spieltag
Eintritt: 31,20 €

BörsenVerein Borussia gegen RoteBrause Leipzig

Wenn Fans eines Kommerzvereins gegen den Kommerz protestieren, könnte es das Ergebnis einer Selbstreflexion sein, oder es könnte die Erkenntnis sein, dass die “Echt Liebe” Kampagne sich zwar bodenständig und liebenswert anhört, aber eben eine Kampagne ist. Es könnte aber auch nur sein, dass RB Leipzig zu Gast ist.

“Für den Volkssport Fußball - gegen die, die ihn zerstören”. Unter diesem Motto versuchten einige BVB-Fans oder BVB-Ultras, die bisher Führenden im RB-Bashen, nämlich Karlsruhe, Dresden und Köln zu toppen. Es durften Plakate gemalt werden, was das Zeug hält. Im Stadion war ich zu weit weg um alles lesen zu können, aber nach Betrachtung der Fotos war ein hoher IQ wohl eher ein Ausschlusskriterium für die AG Wandzeitung. Wenn man Missstände anprangern möchte und dabei das Niveau des Protestes in Bodennähe bleibt, ist das nicht unbedingt förderlich für die Akzeptanz. Aber gut, das muss der BVB mit sich selber ausmachen.

Wenn hingegen Steine, Raketen und Sonstiges was man so werfen kann in der Gruppe der anreisenden RB-Fans landen, wird es zum Problem. Als Ergebnis des Dortmunder “Protestes”, der außerhalb des Stadions begann, mussten zehn Leipziger Fans ambulant behandelt werden. Und die Verletzten waren keine Freunde der dritten Halbzeit. Es waren Fußballfans jeden Alters, die das Spiel schauen wollten. Ein Spiel schauen und die Mannschaft unterstützen - nicht mehr und nicht weniger. Und vielleicht liegt genau hier das Problem der Problemfans, denn was sollen die erlebnisorientierten Gesellen machen, wenn es nur noch Fußballfans gibt.

Die Polizei war nach eigenen Aussagen auf die Welle der Gewalt nicht vorbereitet. Sie geloben Besserung für das nächste Jahr, also mehr Hundertschaften bereitzustellen und sie werden das RB-Spiel auf eine ähnliche Stufe wie das Revierderby gegen Schalke stellen. Immer wieder beeindruckend, was ein so junger Verein wie RB in so kurzer Zeit alles schafft.

Was heißt das jetzt wohl für das Spiel auf Schalke? Ist der Feind meines größten Feindes mein Freund oder ist Schalke jetzt sauer, weil sie einen neuen Konkurrenten im “Du bist scheiße” bekommen? Und auch den Organisatoren des Frankfurter Traditionsbewahrertages wird schon der Schweiß auf der Stirn stehen, wie man das noch “toppen” will. Das Niveau von heute zu unterbieten, wird nämlich keine leichte Aufgabe.

Dass es natürlich auch ganz anders geht, zeigt meine persönliche Anfahrt. Zufällig den perfekten P+R Parkplatz ausgewählt, kamen wir ab da mit Dortmundern der Südkurve ins Gespräch und legten gemeinsam den Weg ins Stadion zurück. Keine Vorurteile, einfach über Fußball und Drumherum unterhalten. So muss es sein. Auch vor dem Stadion standen wir mitten hunderter BVB-Fans und alles war friedlich. Den einen obligatorischen Spruch hatte ich dann doch an der Backe, dass “ich mich schämen sollte”. Das hab ich natürlich sofort getan, in Erwägung gezogen zu konvertieren und den RB- durch einen BVB-Schal zu ersetzen. Ist dann allerdings an der viel zu langen Schlange vor der Kasse der Fanwelt gescheitert ...

Und nun ab in den Gästeblock und endlich zum sportlichen. RB spielt eine grandiose erste Bundesligasaison. Platz zwei, zehn Punkte Vorsprung auf Platz drei und elf Punkte Vorsprung auf Dortmund. Leider fehlten heute vier Stammspieler. Emil Forsberg saß das letzte Spiel seiner Roten Karte vom Bayern-Spiel ab, Diego Demme, Marcel Sabitzer und Timo Werner mussten wegen einer Grippe passen. Das ist fast die gesamte Kreativabteilung plus der Spieler mit den meisten Ballkontakten. Bei dem dünnen Kader von RB durften mit Federico Palacios Martinez und John-Patrick Strauß zwei U-23 Stammkräfte und mit Kamil Wojtkowski sogar ein U-19 Spieler auf der Bank platz nehmen. Dominik Kaiser, Rani Khedira und Davie Selke hatte die Möglichkeit in der Startelf auf sich aufmerksam zu machen. Ich fand RB begann gut und konnte einen gewissen Druck aufbauen. Wirklich zwingend war das alles aber nicht. Leider saß ich so weit weg vom Spielfeld (Block 59, fast ganz oben), dass ich die Spieler nicht zielsicher erkennen konnte. War jetzt Khedira oder Ilsanker am Ball? Hat Poulsen oder Selke den Ball nicht sichern können? Hat jetzt Halstenberg oder Compper den Ball weggeköpft? Daher kann ich mir eine Einzelkritik eigentlich sparen.

Der BVB hat wiederholt seine Geschwindigkeit ausgespielt und einen Angriff, eine Ecke oder einen Freistoß von RB so überfallartig gekontert, dass ich fast Spaß dran hatte. Zum Glück hat Dortmund fast alle dieser daraus resultierenden guten bis sehr guten Chancen liegen lassen. Und leider haben sie eben doch diese eine Chance genutzt und das goldene Tor erzielt. Auch wenn ein paar Chancen sicher mit dem gesteigerten Risiko zu tun hatten, dass RB eingehen musste, um noch den Ausgleich zu erzielen, so geht der Sieg des BVB schon in Ordnung. Dass das Tor von Leipzig in der Nachspielzeit, erzwungen und schön herausgespielt, ein Pass von Oliver Burke, eiskalt vollendet von Federico Palacios Martinez, dann doch Abseits war, will ich immer noch nicht glauben und doch bestätigen es die Fernsehbilder. Es wäre so schön gewesen …

Ich wüsste gerne, wie das Spiel ausgegangen wäre, hätte RB in Bestbesetzung antreten können (oh, ganz schön viel Konjunktiv). Gegen Bayern konnten sie das und sind gnadenlos untergegangen. Hätte ein Demme heute das Spiel besser lenken können, hätte ein Forsberg mehr Räume geschaffen und ein Werner einmal mehr den Ball behauptet? Wer weiß. Die zweite Offensivreihe hat es gut gemacht, Champions League Niveau war es wohl eher nicht.

Die Stimmung im Stadion war gut, aber hat mich auch nicht nachhaltig beeindruckt. Ich glaub, ich saß einfach zu weit weg, um die wahre Wucht der Gelben Wand zu spüren. Und der Support der Leipziger war gut, aber für eine flächendeckende Sitzblockaktivierung reicht es eben (noch) nicht. Wirklich beeindruckend fand ich die schiere Anzahl von Fans, die bereits 2 ½ Stunden vor dem Spiel am Stadion waren. Bei anderen Spielen öffnen da gerade die Bierstände und die ersten Fans trudeln ein, hier ist schon die Hölle los.

Auch wenn mein Respekt vor der Südtribüne seit heute verflogen ist, bleibt ein spannendes Spiel vor beeindruckend vielen Zuschauern - meine bisher höchste Zuschauerzahl: 81.000. Und soviel haben die hier fast jedes Spiel - schon verrückt.

Aufstellung:
BV Borussia 09 Dortmund:
Bürki – Piszczek, Sokratis, Bartra – Weigl – Durm, Dembélé (61. Pulisic), Guerreiro (77. Ginter), Schmelzer (85. Passlack) – Reus, Aubameyang
Trainer: Thomas Tuchel

RB Leipzig:
Gulácsi – Bernardo, Orban, Compper, Halstenberg – Kaiser (80. Palacios), Ilsanker, Khedira (66. Upamecano), Keita – Poulsen, Selke (73. Burke)
Trainer: Ralph Hasenhüttel
Tore:
1:0 Aubameyang (35., Dembelé)
Gelbe Karte:
Aubameyang – Bernardo, Upamecano, Compper
Schiedsrichter: Tobias Stieler


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Persönliche Statistik:

Dieses Sportereignis war:
  • Mein 206. Fußballspiel in Deutschland
  • Mein 312. Fußballspiel insgesamt
  • Mein 291. Sportereignis in Deutschland
  • Mein 437. Sportereignis insgesamt
  • Mein 2. Fußballspiel im Westfalenstadion

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