Unzählige Diskussionen wurden in den letzten Jahren zu RB Leipzig ausgetragen. Ist der Verein ein Segen für den Osten oder die Inkarnation des Bösen? Soll man ihn für seine professionelle Arbeit loben oder mit allen Mitteln bekämpfen? Einem Argument “pro RB” folgte eines “kontra RB”, vieles subjektiv gut begründet, anderes nur platt hinaus posaunt. Ich vermute mal, dass sich kaum jemand von den Argumenten der Gegenseite hat überzeugen lassen. Eigentlich reicht es und trotzdem hier obendrauf noch mein subjektiver Faktencheck.
These: “RB Fans sind nur Erfolgsfans”
Hier muss ich vorbehaltlos zustimmen. Nur sind nach meiner Auffassung 99% aller Fußballfans Erfolgsfans. Sie unterstützen nicht ihren lokalen Verein direkt vor der Wohnungstür, sondern den erfolgreichen Dritt-, Zweit- oder Erstligisten aus der nahen oder fernen Umgebung. Selbst in der 3. Liga ist halt schon viel mehr geboten, als bei den 30 Zuschauern aufm Sportplatz des Kreisligisten neben dem eigenen Schrebergarten. Klar gibt es hier Abstufungen. Hansa nach erfolgreicher Zeit auch noch in der 3. Liga zu verfolgen ist für mich schon was anderes, als nur die Bayern zu unterstützen, weil sie mit Nationalspielern gespickt jedes Spiel gewinnen. (Damit rede ich mir jetzt schön, dass ich ein besserer Fan als jeder Bayern-Fan bin.) Aber trotzdem bleibe ich wie alle anderen Erfolgsfan.
Oft habe ich in dem Zusammenhang gelesen, dass man ja nur von einem Verein Fan sein kann und somit nicht plötzlich zum neuen Verein RB gehen kann. Das mag für viele gelten, mir persönlich erschließt sich die Logik nicht. Ich bin seit 20 Jahren Hansa-Fan und rechne mich mittlerweile auch zu den RB-Fans. Bin ich deswegen weniger Hansa-Fan, weniger emotional, wenn Hansa gewinnt oder verliert? Nein. (Also im Vergleich zu vor 10 Jahren schon, aber das liegt am zunehmenden Alter). Ich habe auch zwei Kinder und keiner würde argumentieren, ich darf nur eines lieben. Also warum soll ich nur einen Verein “lieben”?
These: “Das viele Geld von Red Bull führt zu Wettbewerbsverzerrung”
Ist es unfair, dass Leipzig so viel mehr Geld hat als andere Vereine? Vielleicht. Doch das ist genauso ungerecht, wie es in einer Stadt wie Köln, Hamburg, München, Stuttgart viel mehr Geld von den ansässigen Unternehmen zu generieren gibt, als dies in Rostock, Cottbus oder eben Leipzig möglich ist. Die jetzige Bundesliga spiegelt mit ein paar Ausnahmen die Wirtschaftskraft der jeweiligen Regionen wider. Wenn man nun als Regel festlegt, dass Geld nur aus der Region kommen darf, kann man das tun. Dann hat man damit aber den Kreis der Bundesligisten im Groben für lange Zeit festgelegt und viele Regionen vom Bundesligafußball ausgeschlossen. Klar, Ausnahmen wie Energie Cottbus wird es immer wieder geben, wenn diese mal über viele Jahre überdurchschnittliche Arbeit leisten. Fallen sie jedoch wieder auf durchschnittliche Leistung zurück (was zwangsläufig passiert), spielen sie eben wieder 3. Liga oder darunter. Der Status quo ist somit alles andere als fairer Wettbewerb, bei dem sich der bessere durchsetzt. Und Leipzig hat sich eben nicht in sein Schicksal ergeben. Sie haben ihr Pfund “Sportbegeisterung” in die Waagschale geworfen und gehen einen Weg, den eine Stadt im Osten Deutschlands gehen muss, wenn sie erfolgreich höherklassig spielen will. Wenn jetzt ein Fan aus einer wirtschaftsstarken Stadt, der jahrelang das Privileg Bundesliga genossen hat, anfängt über Wettbewerbsverzerrung von RB zu jammern, kann ich hier nur begrenzt Mitleid empfinden.
Und dann ist der Bogen zum Financial Fairplay nicht mehr groß. Der aktuelle Sinn von Financial Fairplay ist schlicht eine Besitzstandswahrung der etablierten Champions League Teilnehmer. Es heißt nur, dass andere signifikante Einnahmequellen als die völlig überfinanzierte Champions League ausgeschlossen werden. Ein Verstoß gegen Financial Fairplay ist nicht, wie der Name suggerieren will, ein Verstoß gegen Fairplay, sondern schlicht ein Eingriff in die Besitzstandswahrung.
These: “Man solle doch Lok oder Chemie unterstützen”
Der erfolgreichste Verein einer Stadt sammelt immer die Mehrheit der Zuschauer hinter sich. Und je größer der Ligenunterschied zwischen der ersten und zweiten Kraft der Stadt ist, je größer ist auch der Zuschauerunterschied. In Köln gibt es “nur” den FC, in Stuttgart nur den VfB, die anderen Vereine sind im Vergleich dazu nur eine Randnotiz. Eine Randnotiz werden Chemie und Lok in Leipzig bei ihrer Historie nicht werden, aber natürlich wird RB die Mehrheit der Zuschauer auf sich vereinen. Also auch hier kein Unterschied zu anderen Vereinen.
These: “RB hat keine Tradition und deswegen gehören sie nicht in die Bundesliga”
Plötzlich wälzt sich jeder in der eigenen Tradition und versucht RB diese abzusprechen. Aus meiner Sicht spielt ein Verein immer für seine Stadt und seine Region. Und somit RB auch für Leipzig. Und Leipzig ist für mich die Sportstadt schlechthin in Deutschland. Und schon 1956 kam 100.000 Zuschauer ins Zentralstadion um Fußball zu sehen. Die Sportbegeisterung ist wohl in kaum einer anderen Stadt so groß wie hier. Leipzig hat für mich sowas von Tradition. Das RB dies jetzt nutzt, kann ich ihnen nicht vorwerfen.
These: “RB kann man nicht unterstützen, weil man keine Mitbestimmung hat”
17 Mitglieder beim RasenBallsport Leipzig e. V. sind schon nicht so richtig viel. Und das es ein mehr oder weniger geschlossener Verein ist, ist definitiv anders als bei den etablierten Vereinen. Ich glaub, dass bei vielen hier ein Irrglaube zugrunde liegt, dass ein Verein offen für jeden sein muss. Muss er aber nicht. Er darf schon selber darüber bestimmen, ob und welche Mitglieder aufgenommen werden. Die meisten Vereine nehmen neue Mitglieder mit Kusshand auf, da neue Mitglieder auch mehr Geld bringen, aber laut Vereinsrecht ist das nicht notwendig. Und wenn das Projekt RB erfolgreich sein will, verstehe ich auch, dass sie andere Wege gehen (müssen). Ich persönlich hab noch nie den Drang verspürt, bei dem Verein Mitglied zu werden, von dem ich Fan bin. Ich werde da Mitglied, wo ich selber Sport mache oder meine Kinder. Und so fehlt mir auch nichts, wenn ich keine Möglichkeit der Mitbestimmung habe.
Find ich alles gut, was bei RB passiert? Natürlich nicht. Und wenn ich so mitbekomme, was auf den Jahreshauptversammlungen anderer Verein abgeht, scheint auch dort nicht jeder mit allem zufrieden zu sein. So ist das Leben, dass andere selten zu 100% das tun, was ich will. Kein Grund zur Beschwerde.
Und ich bin schon gespannt wie Schmidts Katze, wie sich das Projekt RB weiterentwickelt. Das Aufstiegstempo der letzten Jahre war atemberaubend. So weitergehen kann das ja nicht, denn das würde in Weltherrschaft enden. Vielleicht ja das wahre Ziel von Red Bull und wir sind nur Steigbügelhalter. Vielleicht aber auch nicht.