Die Attraktivität der Regionalliga Nord lag bisher, aus meiner Sicht, deutlich hinter der der Regionalligen West, Nordost und Südwest. Doch diese Saison sieht das anders aus. SV Meppen, VfB Oldenburg, Altona 93, Kickers Emden, VfB Lübeck, Bremer SV – das sind alles Vereine mit Namen und Fans. Ich würde sogar sagen, für diese Saison ist die Nord die spannendste der fünf Regionalligen. Bayern ist außer Konkurrenz, das ist eh ein Witz, dass die eine eigene Regionalliga haben. West hat sich irgendwie selber zerlegt. Die attraktivsten Vereine spielen mittlerweile in der 3. Liga, dazu kommt das Lizenzchaos der vergangenen Saison und aktuell spielen sieben (!) Zweitvertretungen in der Liga. Südwest ist okay, aber da ist auch ganz viel Hafer dabei. Nordost ist aufgrund der Fanszenen und der Historie top, aber diese Saison kann die Nord da mindestens mithalten.
Ich war auf dem Weg zum Greifswalder Bodden und hatte Zeit, ein Spiel auf dem Weg mitzunehmen. Und dieses Mal hatte ich mit den Spielansetzungen Glück und konnte die Partie hier in Drochtersen/Assel besuchen. Der SV Drochtersen/Assel soll wohl einer der Aufstiegsfavorit in der Liga sein. Und zu Gast war heute der BSV Kickers Emden. Absolutes Topspiel.
Wikipedia: „Drochtersen ist eine Gemeinde im niedersächsischen Landkreis Stade. Sie liegt südlich der Elbe, etwa 45 km nordwestlich von Hamburg und fast 50 km östlich von Cuxhaven. Sie hat gut 11.000 Einwohner und umfasst große Teile des Südens von Kehdingen.“ Die Gemeinde Drochtersen besteht aus dem Hauptort Drochtersen (5.500 Einwohner), dem Ortsteil Assel (3.600 Einwohner) sowie weiteren Ortsteilen. Der Verein SV Drochtersen/Assel entstand im Jahre 1977 als Zusammenschluss der beiden Vereine TV Germania Drochtersen und VTV Assel. Deswegen auch die beiden Teile im Vereinswappen mit „Germania“ und „VTV“.
Ich bin jetzt schon viel in Deutschland rumgekommen, aber Drochtersen und Assel waren mir unbekannt. Aus dem Fußballkontext hab ich das natürlich schon gehört, aber ich hatte keinen Plan wo das liegt. Jetzt weiß ich es und merke wieder: Groundhopping bildet.
Der Claim des Vereins ist: “Wir sind D/A”. Ich habe das am Anfang gar nicht verstanden. Ich habe es auf der Homepage gelesen und gemerkt, dass das Wort „da“ komisch geschrieben ist, aber mein Hirn hat es irgendwie interpoliert. Als ich dann den Spruch ganz groß an der Stadionmauer gesehen habe, habe ich es gerafft. Also dass der Verein sich mit D/A (Drochtersen/Assel) abgekürzt. Schönes Wortspiel und ein Aha-Erlebnis - manchmal sind es die kleinen Dinge, die ich so spannend finde.
Der SV Drochtersen/Assel spielt im Kehdinger Stadion. „Kehdingen“ ist eine Landschaft im Landkreis Stade. Solche landschaftsbezogenen Stadionnamen sind mir die liebsten: Ostseestadion, Weserstadion, Ostfriesland-Stadion, Emslandstadion - welch Klang. Das Kehdinger Stadion bietet Platz für 3000 Zuschauer. Es gibt eine Tribüne mit 500 überdachten Sitzplätzen, der große Rest sind Stehplätze, teils überdacht, teils ebenerdig und unüberdacht. Ich liebe diese Regionalligastadien. Also die, die schon eine gewisse Infrastruktur bieten, um für die Regionalliga zugelassen zu werden. Aber eben noch ihren jeweils eigenen Charakter haben und nicht austauschbare Einheitsteile wie in Paderborn, Chemnitz oder Karlsruhe sind.
Die Sitzplätze waren bereits im Vorverkauf vergriffen, Stehplätze gab es aber noch ausreichend an der Tageskasse. Insgesamt wollten knapp 1300 Zuschauer die Partie verfolgen. Ich glaube, das ist für den Standort ein sehr guter Wert. Dass das mehr als gewöhnlich war, konnte man wie so oft am Catering ablesen. Die kamen nicht annähernd dem Andrang hinterher, sodass es lange Wartezeiten gab. Das Problem war hier schlicht, dass die, die verkauft haben, gleichzeitig einschenken mussten. Wenn die bei jeder Bestellung immer erst die Biere holen, öffnen und dann Becher für Becher einschenken, dauert das halt. Bei 200 Leuten mag das gehen, wenn aber 500 Durst haben, wird es eng. Bei den kommenden Topspielen stellen sie hoffentlich eine(n) hin, der nichts anderes macht, als die Bierflaschen in die Becher zu füllen. Ich bin mir sicher, die würde da so viel mehr Umsatz machen.
Eine Beobachtung. Kehdingen scheint HSV-Land zu sein. Es gab natürlich einige mit D/A Kleidung. Aber auch etliche mit Fankleidung der umliegenden Profivereine. Wobei die Mehrzahl hier nicht ganz stimmt. Ich habe ein St. Pauli Shirt gesehen, der Rest der Fremdfans gaben sich alle als HSV-Sympathisanten zu erkennen. Ich hatte schon gedacht, dass das etwas ausgeglichener ist zwischen St. Pauli und HSV ist. Keine Ahnung, wie repräsentativ das ist, es war auf jeden Fall auffällig.
Nun noch zum Sportlichen: Der SV Drochtersen/Assel hat die vergangene Saison auf Platz drei abgeschlossen und das erste Spiel dieser Saison mit 5:0 bei St. Pauli II gewonnen. Soweit ich das irgendwo gehört habe, wurde die Mannschaft weiter verstärkt. Gut möglich, dass das somit ein Meisterschaftsaspirant sein wird. So haben sie zumindest gespielt. Die Trainer der Regionalliga Nord haben die Kickers Emden als zweitstärkstes Team hinter dem SV Meppen eingeschätzt. Dafür wurde die aber deutlich von D/A dominiert. Nach 24 Minuten stand es bereits 2:0 für die Gastgeber. Emden gelang der Anschlusstreffer, aber am Ende gewann Drochtersen/Assel verdient mit 3:1. Emden hatte bereits das Eröffnungsspitzenspiel gegen den SV Meppen mit 0:1 verloren. So willst du als Aufstiegsanwärter eigentlich nicht in die Saison starten. Die zahlreich mitgereisten Emdener Fans haben ihre Mannschaft trotzdem nach dem Spiel beklatscht. Vielleicht ist die Erwartungshaltung da nicht so hoch.
Der Meister der Regionalliga Nord steigt diese Saison direkt auf. Vielleicht sehen wir den SV Drochtersen/Assel ja kommende Saison in Liga 3.
Fazit: Spannende Gegend, spannendes Stadion, spannendes Spiel. Hat voll Spaß gemacht.