Die vergangenen zwei Saisons war ich jeweils um Weihnachten/Neujahr bei Racing Strasbourg (
2022/23 gegen Troyes,
2023/24 gegen Lille). Frankreich kennt keine Winterpause und da bietet es sich an, also wenn ich eh Zeit habe, mal einen Ausflug ins nahe gelegene Strasbourg zu unternehmen. Und auch diese Saison passt der Spielplan gut. Am ersten Januarwochenende kam AJ Auxerre ins Stade de la Meinau. Mal schauen, ob daraus eine Tradition erwächst.
Die Spiele von Racing sind seit einigen Jahren so gut wie immer ausverkauft. Ich habe mal gelesen, dass wenn sie wachsen wollen, dies über einen Stadionausbau passieren müsse. Und genau das geschieht aktuell. In der ersten Phase wird die Südtribüne abgerissen und durch eine deutlich größere ersetzt. Auf den Plänen sieht das mal fancy aus. Ich zitiere aus einem Artikel auf stadionweld.de: „Im Rahmen der Renovierung des Stadions sieht das neue Design der Südtribüne die Verwendung von Rumpfteilen mehrerer ausgemusterter Airbus A340-Flugzeugen vor, die als Paneele für ein neuartiges Sonnenschutzsystem an der Fassade der Haupttribüne verwendet werden und eine Gesamtfläche von 4.050 m² auf der gesamten Rückseite der Tribüne bedecken.“ Die anderen Tribünen werden im Anschluss saniert, aber nicht vergrößert. Ende 2026 wird sich die Kapazität von 26.000 auf 32.000 Plätze erhöht haben. Die Gesamtinvestition soll 160 Mio. Euro betragen. (Wobei ich dabei eine Steigerung um gerade mal 6000 Plätze eher wenig finde.) Ich bin jedenfalls sehr gespannt auf das "neue" Stadion.
Ich kam erst Mitte Dezember wieder auf die Idee, mal nach Spielplan und Tickets zu schauen. Durch die beschränkte Kapazität waren da selbstverständlich bereits alle Tickets verkauft. Also dachte ich im ersten Moment. Aber im Stade de la Mainau gibt es auf den beiden Sitzplatztribünen noch einen schmalen Stehplatz-Streifen am Spielfeld. Also wirklich schmal, das sind nur zwei Stufen. Auf der oberen Stufe steht eine Reihe, unten stehen sie in zwei Reihen. Die kosten nur 12 €, was ich für die erste Liga echt fair finde. Steht man ganz vorne, ist die Sicht perfekt. Der Rest ist schon, je nach Körpergröße, leicht bis ziemlich sichtbehindert. Deswegen wahrscheinlich auch der faire Preis. Na ja, da gab es jedenfalls noch Tickets. Top, und somit waren wir für einen schmalen Taler wieder dabei (also noch ein Freund von mir und unsere Söhne).
Das Spiel wurde angepfiffen – und es war erstmal – Stille. Die ersten 15 Minuten konnte man die sprichwörtliche Stecknadel im Stadion fallen hören. Sowohl der Heim- als auch der Gästeblock waren im Stimmungsboykott. Ich weiß nicht offiziell, wogegen sie protestiert haben. Laut Banner ging es gegen den „Modernen Fußball“ und/oder Multi-Ownership. Etwas, was zumindest Racing Strasbourg direkt betrifft. Sie wurde 2023 vom US-amerikanischen BlueCo-Konsortium übernommen. BlueCo ist ebenfalls Eigentümer von Chelsea FC. Und wie es sich abzeichnet hat Strasbourg den Part des Ausbildungsclubs. Und wenn die Spieler sich weiterentwickeln, werden sie weiter transferiert. Da bleibt die sportliche Perspektive begrenzt. Dazu befinden sich laut Kicker aktuell über die Hälfte der Ligue A Klubs im Besitz ausländischer Investoren. Und denen geht es selten um das Wohl des Vereins, bzw. in einem anderen Sinne, als für die Fans.
So gar keine Unterstützung von den Rängen ist schon spooky. Aber nach 15 Minuten kletterte der Vorsänger aufs Podest und los ging es. Ich frage mich, ob so ein Protest irgendwas bewegt. Die 15 stillen Minuten waren erschreckend, aber wenn die „restlichen“ 75 Minuten passen, ist ja alles gut. Dann sitzen alle den Protest aus und freuen sich auf Minute 16. Würde der Stimmungsboykott über 90 Minuten und über mehrere Spiele durchgezogen, könnte ich mir schon eher vorstellen, dass es auch bei den Entscheidungsträgern in den VIP-Logen ankommt. Naja, ich als Event-Fan war für heute doch sehr froh, als endlich was los war.
Zur sportlichen Ausgangslage. AJ Auxerre steht als Aufsteiger auf Platz acht mit 21 Punkten, Strasbourg auf Platz 13 mit 17 Punkten. Für Strasbourg sind das vier Punkte über dem Relegationsplatz. Irgendwie sind das Tabellenregionen, die ich von Strasbourg über die letzten Jahre kennen. Am Saisonende stehen sie hoffentlich erneut über dem Strich.
Das Spiel begann zäh. Strasbourg hatte mehr Ballbesitz, aber kam nicht in gefährliche Aktionen. Auxerre versuchte nach Ballgewinn schnell zum Abschluss zu kommen, was überhaupt nicht gelang und mit direkten Ballverlusten im Mittelfeld endete. Einmal kam Auxerre dann doch über den rechte Flügel durch. Ein Strasbourger Verteidiger trat bei der Flanke über den Ball und Traoré konnte zum 0:1 einschieben. Danach das gleiche Bild, Strasbourg mit mehr Ballbesitz, aber ungefährlich und Auxerre macht mit dem zweiten Angriff fast das 0:2. In der Nachspielzeit der ersten Halbzeit gab es dann unerwartet Elfmeter für Strasbourg. Es war so ziemlich auf der anderen Seite des Stadions, sodass ich es nicht gesehen habe. Aber in der Zusammenfassung war das eher ein Geschenk. Was soll’s, Ausgleich. In der zweiten Halbzeit machte Strasbourg einfach weiter und folgerichtig kamen sie zu weiteren Toren. Am Ende ein verdienter 3:1 Heimsieg. Das sind wieder drei Punkte näher am Klassenerhalt.
Strasbourg hat eine Fanfreundschaft mit dem KSC und der wiederum mit Hertha BSC. Und so sah man auch heute viele KSC Fanutensilien und sogar ein Hertha Banner am Zaun der Heimkurve. Mein Banner of the day: „Der KSC ist eine Reise wert! Fans im Osten. Sektion Harz“ Und dazu ein Trabi abgebildet. Top!
