Letzte Saison hatte ich mir die Europa League Serie in Hoffenheim gekauft. Mit Olympique Lyonnais, Steaua București und Tottenham Hotspur waren ziemlich spannende Teams und Fans vor Ort. Das hat richtig Spaß gemacht. Diese Saison boten sich in relativer Nähe der VfB Stuttgart und der SC Freiburg für die Europa League sowie der FSV Mainz für die Conference League an. Allerdings gab es dort nur Tickets für Mitglieder. Also so lohnte sich ein Blick über die Grenze nach Strasbourg. Von Karlsruhe aus ist das sogar näher als die drei deutschen Optionen.
Racing Strasbourg spielte eine grandiose Saison 2024/25 und hatte vor dem letzten Spieltag sogar noch Chancen auf die Champions League. Für die Champions League hätte Nizza verlieren müssen, haben sie aber nicht und somit war diese Option vom Tisch. Allerdings war die Europa League für Racing eigentlich save. Wenn das Wort „eigentlich“ nicht wäre. Denn Racing verloren das letzte Spiel zu Hause gegen Le Havre. Es war eine unfassbar schlechte Leistung, die überhaupt nicht zur restlichen Saison gepasst hat. Dazu haben sie beim Stand von 2:2 in der neunten Minute (!) der Nachspielzeit einen unnötigen Elfmeter verursacht - der dann zum 2:3 führte. Ich hatte den Eindruck, dass das eine beabsichtigte Niederlage war. Ich wüsste nicht, warum sie das hätten machen sollen, aber das Spiel wirkte einfach so. Vielleicht war es auch nur der große Druck, der sie gelähmt hat. Aber falls mal was mit Wettbetrug oder so rauskommt, hier habt ihr es zuerst gelesen.
Wie auch immer, Racing beendete die Saison 2024/25 auf Platz 7 und qualifizierte sich damit für die Play-offs zur UEFA Conference League. Dort setzten sie sich gegen Bröndby IF mit einem 0:0 zu Hause und einem 3:2 Auswärtssieg durch und erreichten so die Gruppenphase. An einem Montag im September gingen die Karten für die Dreier-Heimspielserie um 14:00 Uhr in den freien Verkauf. Um 14:15 Uhr war das Stadion ausverkauft. Ich war zum Glück beim Run dabei und habe zwei Tickets für meinen Sohn und mich abgestaubt. Auf der nigelnagelneuen Haupttribüne. Im Januar war diese Tribüne noch Baustelle und wurde im Sommer fertiggestellt. Im Vergleich zu davor wurde sie mit einem zusätzlichen Rang deutlich erweitert und bietet nun 8.000 Zuschauern Platz.Unsere Karten sind in der drittletzten Reihe. Verglichen mit dem Rest des Strasbourger Stadions ist das schon weit weg, aber objektiv hat man von dort gute Sicht.
Wie schon im Vorjahr war ich auch dieses Mal beim ersten Spiel der Serie verhindert und wir haben damit das Spiel gegen Jagiellonia Białystok verpasst. Zum Glück konnte ich die Tickets aber weitergeben, sodass die Plätze nicht leer geblieben sind. Und so war heute unser Auftakt zur nun noch verbleibenden Zweier-Serie. Die Conference League ist ja schon eine ziemliche Exotenliga, mit Vereinen aus Malta, Irland, Nordmazedonien, Kosovo und Bosnien-Herzegowina. Die Vertreter der großen Ligen stechen da sportlich mit ihren hohen Kaderwerten deutlich raus - ganz besonders natürlich der englische Vertreter. Racing Strasbourg hat laut transfermarkt.de einen Kaderwert von 278 Mio. €. Der heutige Gegner Crystal Palace kommt direkt auf 484 Mio. €. Die Favoritenrolle in dem Wettbewerb sollte somit klar verteilt sein. Und im Vergleich mal alle Kaderwerte aller Racing-Gegner:Englische Fans sorgen ja traditionell für eine starke Gästekulisse. Der Gästeblock im Stade de la Meinau war komplett ausverkauft. Bei europäischen Spielen stehen den Gästen mindestens 5 % der Tickets zu. Durch die Erweiterung des Stadions übersteigt das offenbar die reine Kapazität des normalen Gästebereichs – und so bekamen die Fans aus Südlondon noch rund zehn zusätzliche Reihen auf der Südtribüne. Für die Atmosphäre war das großartig.
Die Strasbourger Fans haben wie „immer“ in den ersten 15 Minuten als Protest gegen das Multi-Ownership. Ich finde es super, wie sie das durchziehen. Ob es was bringt, ist vermutlich fraglich. Aber besser so, als alles unkommentiert hinzunehmen. Nach 15 Minuten schmissen sie dann einige Fackeln an und füllten die Bude mit Stimmung. Auch wenn der Heimblock insgesamt stimmgewaltiger war, waren auch die Gästegesänge regelmäßig zu hören. Alles in allem war es ein stimmungsvolles Spiel.Auch sportlich war es ein spannendes Spiel. Anfänglich fand ich Racing zielstrebiger und sie haben sich ein paar Chancen herausgespielt. Dann übernahm Crystal Palace die Initiative. Und in der 35. Minute gingen die Londoner in Führung. Nur kurze Zeit später hätte das 0:2 fallen müssen. Ein Strasbourger Spieler spielte einen verunglückten Rückpass zum Palace Spieler, der ihn aus 25 m „nur noch“ ins leere Tor schieben musste. Spielt er den Ball druckvoll als Innenseitstoß, ist der Ball im Tor. Stattdessen spielte er ihn mit Effet. Und so drehte sich der Ball nach außen an den Innenpfosten, lief dann die Torlinie lang und ging neben dem anderen Pfosten ins Toraus. Geschenk ausgeschlagen.
Kurz vor der Halbzeit gab es eine interessante Auswechslung. In der 43. kam bei Racing auf der Innenverteidigerposition Ben Chilwell für Lucas Høgsberg. Das war vom Zeitpunkt her spannend, denn es war kein verletzungsbedingter Wechsel. Im Fußball ist es verpönt, vor der Halbzeitpause taktisch zu wechseln. Wobei aus meiner persönlichen Sicht dieses ungeschriebene Gesetz keinen Sinn ergibt. Denn wenn es nicht läuft, muss der Trainer zeitnah eingreifen. Warum soll er 15 Minuten verschenken, wenn das Team doch eine Veränderung benötigt. Ungewöhnlich war der Zeitpunkt jedoch allemal. Lucas Høgsberg ist gerade mal 19 Jahre, Ben Chilwell schon 28 und damit für Strasbourger Verhältnisse ein alter Hase. Und die Ansage vom Coach Liam Rosenior war wohl, dass Chilwell das Spiel bis zur Pause beruhigen soll, sodass sich das Team dann sammeln kann. Høgsberg war bei seiner Auswechslung sichtlich „not amused“. Und mein Sohn und ich haben ihn auch nicht als Schwachpunkt ausgemacht. Aber aus Trainersicht hat es wohl so gebrannt, dass er die fünf Minuten bis zur Pause nicht mehr warten wollte.Zweiter spannender Aspekt an der Auswechslung ist der Spieler Ben Chilwell an sich, beziehungsweise seine Vereinshistorie. Denn er war ab Februar 2025 an eben Crystal Palace ausgeliehen und bestritt für sie acht Liga- und drei Pokalspiele. So schnell sieht man sich manchmal wieder.
Dazu holte Chilwell mit der Mannschaft den FA-Cup, was Crystal Palace den Platz auf europäischer Ebene einbrachte und somit erst die heutige Partie ermöglichte. Wobei der Pokalsieger eigentlich direkt in der Europa League starten darf. Allerdings schlug da wieder die unsägliche Multi-Ownership Verflechtung zu. John Textor, mit seiner Firma Eagle Football Holdings ist Haupteigentümer von Olympique Lyonnais und hält eben auch Anteile an Crystal Palace. Vereine des gleichen Eigentümers dürfen nicht im selben Wettbewerb spielen. Und somit ging der höherwertige Startplatz in der Europa League an den Club, der in der nationalen Liga besser abgeschnitten hat. In diesem Fall Lyon. Und somit wurde Crystal Palace in die Conference League heruntergestuft. Wobei ich mir gar nicht sicher bin, ob sie das so stört. In der Europa League gibt es zwar attraktivere Gegner, aber in der Conference League hat Palace definitiv die große Chance, sich den Titel zu holen und obendrauf direkt wieder europäisch zu qualifizieren.
Zurück zum Spiel. Ein ähnliches Geschenk wie in der ersten Halbzeit verteilte Strasbourg nochmal in der zweiten Halbzeit. Der Strasbourger Torwart schaltete sich ins Aufbauspiel mit ein und stand dabei hoch und gleichzeitig weit neben dem Tor. Es folgte ein Stockfehler vom Innenverteidiger und wieder war das Tor verwaist. Diesmal haute der Palace Spieler den Ball an die Latte. Verrückt. Zwei Geschenke und keines angenommen. Abgesehen davon fand ich Strasbourg aber besser in der zweiten Halbzeit. Sie haben ihre wenigen Chancen genutzt und so stand am Ende ein 2:1 Heimsieg. Rein von den Spielanteilen ist das okay, aber die 100%-igen im Kopf ist das auch verdammt glücklich. Sei es drum. Palace bleibt nach vier Spielen bei sechs Punkten, Racing hat jetzt zehn Punkte und damit gute Chancen sich direkt fürs Achtelfinale zu qualifizieren.
Ich freue mich jedenfalls schon auf das nächste Heimspiel am 18. Dezember gegen Breiðablik Kópavogur.